Defizite Prämienverbilligung Krankenkasse
1. Abbau der Prämienverbilligungen durch gesetzliche Änderungen
Obwohl die Belastung durch die Krankenklasse Jahr um Jahr ansteigt, wurden die Prämienverbilligungen massiv abgebaut. In 22 Kantonen wurde der Kreis der Anspruchsberechtigten massiv reduziert, in 9 Kantonen beträgt die Reduktion der Bezüger aus dem Mittelstand 25-50%. Eigentlich sollte die zunehmende Prämienlast zumindest für den unteren Mittelstand – also insbesondere Familien mit Kindern und Alleinerziehende – durch Prämienverbilligungen abgefedert werden, dies ist aber unterdessen nicht mehr gewährleistet. Das "Monitoring 2017" des Bundesamts für Gesundheit (BAG) zeigt, was wir schon lange vermuten: Das soziale Korrektiv Prämienverbilligung funktioniert nicht mehr. In den Kantonen Baselland, Neuenburg, Jura, Genf und Bern wurde 2017 die Marke von 20% des Einkommens überschritten. Der Schnitt aller Kantone lag bei 14% des Einkommens. Durch weitere Prämiensteigerungen und Kürzungen bei den Verbilligungen gibt es 2018 maximale Belastungen von mehr als 25%. Im 2019 erreichen wir im Kanton Neuenburg einen neuen "Rekordwert" von 29%. Das Ziel des Bundesrates waren maximal 8%.
2. Abbau der Prämienverbilligungen durch Umgehung des Gesetzes
Obwohl das KVG sowie kantonale Bestimmungen genau regeln, wer Anspruch hat, schliessen verschiedene Kantone durch "verfahrenstechnische" Mittel, Menschen mit gesetzlichem Anspruch aus, um die Ausgaben zu minimieren. Die Taktiken beinhalten: Nicht-Information, Antragszwang, Fristen, Stigmatisierung, Verzögerung/Verschleppung und Schikane. Besonders erfolgreich betreibt diese Strategie der Kanton Neuenburg, welcher von allen Kantonen die niedrigste Rate von Bezügern erreicht hat (2017: 11.6%, 2018: 11.52%, 2019: 8.71%) die keine Sozialhilfe oder Ergänzungsleistung beziehen. Durch die erfolgreiche Anwendung sämtlicher Taktiken ist es also gelungen, einen sehr bedeutenden Anteil der Anspruchsberechtigten vom Bezug auszuschliessen!
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Gemäss dem Bundesgericht gilt, dass in Sachgebieten, die das Bundesrecht nicht abschliessend ordnet, die Kantone nur solche Vorschriften erlassen dürfen, die nicht gegen Sinn und Geist des Bundesrechts verstossen und dessen Zweck nicht beeinträchtigen oder vereiteln. Wie es uns scheint, ist durch 1. und 2. die Ausgestaltung in verschiedenen Kantonen nicht mehr im Einklang mit der Absicht des Gesetzgebers. Denn immer weniger Bürger haben Anspruch (1.) und immer weniger Anspruchsberechtigte bekommen eine Verbilligung (2.). Dies bedeutet, dass die Prämienverbilligung in einigen Kantonen ihre Funktion als soziales Korrektiv nicht mehr ausreichend oder überhaupt nicht mehr wahrnimmt, der Zweck also beeinträchtigt oder sogar vereitelt wird.
Unterdessen hat das Bundesgericht anhand des Beispiels des Kanton Luzern entschieden, dass die Praxis hinsichtlich (1.) in Bezug auf Kinder und junge Erwachsene illegal ist. Gemäss verschiedenen Experten betrifft dieser Entscheid auch die Kantone Bern, Wallis, Glarus, Appenzell Innerrhoden, Appenzell Ausserrhoden, Aargau und Neuenburg. Diese Kantone sind nun aufgefordert, ihre widerrechtliche und illegalen Regelungen umgehend anzupassen. Weitere diesebezügliche Rechtsprozesse sind gemäss unserem Kenntnisstand in Vorbereitung, denn die Regelungen sind in vielen Kantonen nach wie vor illegal.